Die alte INTERFLUG im www
Historische Betrachtungen zur einstigen DDR-Fluggesellschaft INTERFLUG

last updated:
17.09.2016


Revision 3.0
Banner der Arbeit

Ein Orden und seine Vorgeschichte

Von Harald Franke, ehem. ITA / FT VF und Betriebsteilleiter FT VF  (1980 – 1989)

Deckblatt



In der Betriebszeitung „Start“ der INTERFLUG wurde mitgeteilt:

“ Anläßlich des 1. Mai 1977 wurde das Kollektiv, bestehend aus den Genossen der Flugtechnik:

Dr. Peter Bork Direktor Flugtechnik
Harald Franke Ltr. Ingenieurtechnische Abteilung
Rotraut Thier Ltr. Abt. Ökonomie
Joachim Bolte Ltr. Abt. Technologie
Claus Meyer Fachgruppenleiter Zelle, Abt. IT
Jörn Lehweß-Litzmann Gr.-Ltr. Technologische Wartungsvorbereitung, Abt. TL

im Gebäude des Staatsrates der DDR mit dem Orden „Banner der Arbeit“, Stufe I ausgezeichnet. Die Auszeichnung nahm der Präsident der Volkskammer, Genosse Horst Sindermann, im Auftrage des Staatsrates und des Ministerrates der DDR vor“.

Nun treffen bekanntlich Granatsplitter und Orden oft die falschen Leute und es stellt sich die Frage, wofür in diesem Falle eine staatliche Auszeichnung vergeben wurde. So stand denn in dem Artikel auch zu Recht als letzter Satz:
„Die erzielten Erfolge sind nicht das Verdienst des ausgezeichneten Kollektivs allein, wurden aber maßgeblich von ihm beeinflusst und geleitet“.

Zufällig sind 2 Anlagen (siehe Link)  zum Antrag auf die Auszeichnung erhalten geblieben, aus denen ersichtlich ist, mit welchen Problemen wir uns damals befasst haben. Übersehen wir mal den im Text immer wieder erscheinenden Kotau von der Ideologie und der Politik von Partei und Regierung, so ist doch herauszulesen, dass seit Beginn der 70-er Jahre im Betriebsteil Flugtechnik ein Umbruch stattfand und eine Vielzahl von Veränderungen herbeigeführt wurden.


Über einige Hintergründe, die aus dem Text dieser beiden Anlagen nicht ersichtlich sind, möchte ich hier informieren.

Nachdem die INTERFLUG mit Einführung der IL-18 im Jahre 1960 in das PTL-Zeitalter eingetreten war, setzte sich dieser Prozess mit der Inbetriebnahme der Flugzeuge AN-24 im März 1966 fort. Aber bereits im März 1969 gingen mit der TU-134 die ersten TL-Flugzeuge der IF in Betrieb, denen nur 1 Jahr später die Langstreckenflugzeuge IL-62 folgten.

An-24
AN-24, mit Autogramm des Generalkonstrukteurs Oleg K. Antonov

Tu-134
TU-134, Andrey N. Tupolev schrieb: „Zum Andenken an unser Treffen, Moskau 1966

IL-62
IL-62, DM-SEA, die später bei Königs Wusterhausen abstürzte. Übergabe an INTERFLUG in Moskau am 22.04.1970.
In Uniform – der Generaldirektor der IF, Kurt Diedrich. Links von ihm der Generalkonstrukteur Sergey V. Ilyushin
und sein damaliger Stellvertreter und späterer Nachfolger Genrikh V. Novozhilov.
Die Bilder zur TU-134 und IL-62 wurden mir freundlicherweise von Klaus Apel zur Verfügung gestellt.


In diesem Zeitraum war die Flugtechnik fortwährend angespannt damit beschäftigt, das Personal zu schulen, die Einführung der Flugzeuge allseitig vorzubereiten und mit Beginn der Inbetriebnahme deren Kinderkrankheiten zu überwinden.
Dazu war es erforderlich, das nur in geringer Anzahl vorhandene Ingenieurpersonal in der damaligen Abteilung Technologie zu konzentrieren, was besonders vom Werftleiter Ernst Hildebrand unterstützt wurde. Seltsamerweise war diese Abteilung bei der Einführung der IL-18 kaum beteiligt. Die Wartung der IL-18 erfolgte auf der sogenannten IL-18-Platte im Freien, da der Hangarneubau erst 1964 vollendet wurde. Dort hatten in erster Linie Mitarbeiter der Technischen Prüfung und der Werft das Sagen. Erst mit Einführung der AN-24 wurde der Wartungsprozess aus ingenieurtechnischer Sicht seitens der Abteilung Technologie geführt. Das betraf die Durchführung der Schulung des Personales, die Erarbeitung des Vorschriftenwerkes und auch die operative Entscheidungsfindung, wozu in den Schichten Wartungsingenieure installiert wurden.

1970 hatten sich in der Flugtechnik durch die Zuführung neuer Flugzeugtypen in kurzen Abständen und den rasanten Anstieg der Flugstundenzahl viele ungelöste Probleme aufgestaut, die zunehmend zu Störungen der Einsatzbereitschaft der Flotte führten:

  • Die operative Planungsmethodik der Flugtechnik für die Kontrollen der Flugzeuge wies beträchtliche Mängel auf.
    Die Abstimmung zwischen dem Operativzentrum  Verkehrsflug (OZ) der IF und der Abteilung Lenkung und Kontrolle (LK)) des Bereiches Technik über die Kontrollen der Flugzeuge war unzureichend, die vorhandene Kapazität der Werft wurde nicht berechnet, was zu einer hohen Parallelität der zu wartenden Flugzeuge, zu langen Standzeiten und damit zu einer niedrigen Einsatzbereitschaft der Flotte führte.
  • Die Abgrenzung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten zwischen den Abteilungen war nicht exakt schriftlich fixiert, vieles geschah „auf Zuruf“ oder nach alter Gewohnheit. War manchmal ein „Wissensträger“ nicht da, war guter Rat teuer.
  • Die Struktur der Werft sah wie zu Vorkriegszeiten aus, mit Obermeistern und Meistern in den traditionellen Gewerken.
  • Es gab noch wie in früheren Zeiten eine Gruppe Operativtechnologie mit Befundaufnehmern am Flugzeug – eine sehr uneffektive Arbeitsweise.
  • Die Technische Prüfung unterstand dem Hauptprüfleiter und war damit kein Bestandteil der Flugtechnik, was zu Reibereien im Instandhaltungsprozess führte.

Die damalige Führung der Flugtechnik, meist Altgediente, die schon vor dem Krieg bei Luftfahrtfirmen gearbeitet, während des Krieges ihre Erfahrungen gesammelt oder diese von den sowjetischen Beratern in den 50er Jahren übernommen hatten, verfügten  kaum über internationale Kontakte und waren von der stürmischen  Entwicklung der Luftfahrttechnik überrollt worden. Sie versuchten mit hohem persönlichen operativen Einsatz, bis hin zum Herzinfarkt, das Beste aus der Situation zu machen. Es fehlte aber ein Anstoß, sich vom Althergebrachten zu lösen, die ständig angespannte Situation gründlich zu analysieren, Schlussfolgerungen zu ziehen und systematische Veränderungen herbeizuführen.

Dieser Tritt in den Hintern kam erst im Sommer 1970 in Form einer Weisung des Generaldirektors Kurt Diedrich. Er und der Leiter der HVZL, Paul Wilpert, von dem die Initiative ausging, setzten Peter Bork als Sonderbevollmächtigten des Generaldirektors und Leiter einer Arbeitsgruppe ein. Diese sollte den gesamten Instandhaltungsprozess in der Flugtechnik durchforsten, eine kontinuierliche Flugzeugbereitstellung gewährleisten und Entscheidungsvorschläge für den Generaldirektor aufbereiten.
Spottdrosseln aus dem Kreise der Hauptprüfleitung prägten sofort den Ausdruck „Wunderwaffe Bork“, und auch in meinem Diensttagebuch der damaligen Zeit finde ich dafür nur die Einträge „Sitzung der WW-AG“! Aber einige sollten sich tatsächlich später noch wundern.
Am 14. Juli 1970 wurde ich vom Bereichsleiter Technik Jochen Munkelt zur 3-monatigen Mitarbeit in der AG vergattert, woraus, allerdings mit Unterbrechungen, fast 2 Jahre Kampfeinsatz auf diesem für mich zunächst fremden Territorium werden sollten.

In der AG haben, zumindest zeitweilig, eine Reihe damals noch junger Ingenieure mitgearbeitet:
Gerhard Kaun, Günter Rieger, Otto Steiner, Horst Budszus,  Martin Schmidt, Jens Pöthe u.a.

Im Rahmen der AG wurde vieles untersucht, diskutiert, schließlich zu Papier gebracht und entschieden. Hier nur einige Informationen zu ausgewählten  Problemen:

  • In den ersten Monaten wurden die Aufgaben- und Verantwortlichkeitsabgren-zungen in Form von Arbeitsverteilungs- und Funktionsplänen, soweit vorhanden, analysiert, überarbeitet oder neu erarbeitet. Nichts vergessen, aber auch keine Doppelarbeit – das war wichtig. Eine Geschäftsordnung fiel dabei auch noch ab, bis dato konnte z.B. jeder an jeden schreiben wie er wollte und der Vorgesetzte war oft nicht informiert.
  • Es wurde viel getan, um die Planung und Steuerung des Instandhaltungsprozesses auf ein höheres Niveau zu bringen. Das Zusammenspiel zwischen OZ Verkehrsflug und der Abt. LK wurde neu geregelt. Speziell die Steuerung der Großkontrollen, der D-Checks in den Instandhaltungswerken der Aeroflot, wurde ständig überwacht, um die vertraglich abgestimmten Termine exakt einhalten zu können. Als Instrument dazu diente eine „Kommission Großkontrollen“, in der alle beteiligten Strukturen vertreten waren.
  • Es wurden Konsultationen bei ČSA, LOT, BALKAN und MALEV durchgeführt, um deren Struktur und Arbeitsweise kennen zu lernen und Brauchbares zu übernehmen. Die MALEV glänzte mit gut organisierter technologischer Arbeit.
    Das führte letztendlich im Januar 1974 zur Umbenennung der alten Abteilung Technologie in „Ingenieurtechnische Abteilung“ und der Neugründung einer Abt. Technologie, die sich dann tatsächlich mit den zeitlich geregelten Abläufen am Flugzeug und den Wartungskarten beschäftigte. Zum Glück konnte ich Mitte 1973 nach  umfangreichen Diskussionen andere überzeugen, die zunächst ab April 1973 arbeitende „Initiativgruppe Technologie“  innerhalb der alten Abt. TL in eine selbständige Abteilung umzuwandeln, was unter der Leitung von Peter Bork und Joachim Bolte bis Anfang 1974 vollzogen wurde.
    Vereinfacht gesagt, sind in der Instandhaltungsvorbereitung vier Fragen zu entscheiden:
    - Was ist zu tun?
    - Wann ist es zu tun, d. h. nach wie vielen Flugstunden, Landungen oder Tagen?
    - Wie ist es zu tun?
    - In welcher Reihenfolge ist es zu tun?
    Die Trennlinie zwischen ingenieurtechnischer und technologischer Arbeit verläuft durch die dritte Frage, wo die Antwort, bis auf spezielle Fälle, meist auf technologische Entscheidungen hinausläuft.
    Damals kannte ich die Verfahrensweise bei westlichen Fluggesellschaften nicht, aber 20 Jahre später lernte ich bei der Lufthansa, dass es dort das Engineering und die Arbeitsvorbereitung gibt. Für diese technologische Arbeit eignen sich besonders langgediente Flugzeugmechaniker oder Meister mit viel praktischer Erfahrung, was auch im BTFT der IF beachtet wurde.
  • Die Befundaufnehmer wurden abgeschafft und ihre Aufgaben den Flugzeugmechanikern übertragen.
  • Damals wurde ein Teil der Herstellerdokumentation, darunter technische Bulletins der Hersteller, von der Dokumentationsstelle übersetzt und von der Hauptprüfleitung als „Technische Anweisungen“ herausgegeben. Die Bearbeitung dieser Bulletins, die Herausgabe der TA, wurde 1974 komplett in die Abt. IT übernommen.
  • Die Prüforgane, Technische Prüfung und Hauptprüfleitung bei der IF und als Überbleibsel der untergegangenen Luftfahrtindustrie der DDR die Prüfstelle für Luftfahrtgerät (PfL) in Dresden, waren stark ausgeprägt und per se in einer komfortablen Position. Sie konnten Entscheidungsvorschläge zur Defektenbehebung ablehnen und das Flugzeug „sperren“, ohne selbst etwas festlegen zu müssen. Daraus ergaben sich viele Reibungspunkte.
    Mit den Anordnungen über die Arbeitsweise von Reparaturkommissionen (Vorsitz Abt. IT, Zustimmung Entscheidung TP erforderlich) und Untersuchungs-kommissionen (Vorsitz Abt. TP, Mitarbeit IT) wurde eine Regelung getroffen, die mit dieser undefinierten Grauzone aufräumte und im Wesentlichen gut funktionierte. Selten mussten Entscheidungen auf eine höhere Ebene geschoben werden, weil man sich in der Kommission nicht einigen konnte.
    Lange wurde um die Unterstellung der Abt. TP unter den Technischen Direktor gestritten. Argument dagegen war: der Direktor kann sich doch nicht selber kontrollieren! Abgesehen davon, dass man damit dem Direktor unterstellt, Missstände vertuschen zu wollen oder zu können, stimmte das so nicht. TP hatte damals prüfpflichtige Punkte gemäß Wartungskarten im  Instandhaltungsprozess am Flugzeug, also im Verantwortungsbereich des Werftleiters, zu kontrollieren. Erst viel später wurde der TP zugeordnet, Abläufe und Prozesse zu kontrollieren, die “Nullfehlerproduktion“  und andere neumodische, wie das „Kaizen“aus Japan kommende Methoden und Qualitätssicherungssysteme einzuführen und zu begleiten.
    Argument dafür war: Elemente des Leitungsprozesses sind Analyse, Planung, Organisation und Kontrolle. Es geht nicht an, dass ein Element dieses Prozesses herausgelöst und anderen übertragen wird. Die Verantwortung für den kompletten Instandhaltungsprozess muss in einer Hand sein. Diese Ansicht setzte sich durch und die Abt. TP wurde von der Hauptprüfleitung zur Flugtechnik umgesetzt.
    Auch hier habe ich später gesehen, dass bei Lufthansa und anderen renommierten Airlines analog aufgebaute Strukturen vorhanden sind.
  • Bei Vorkommnissen im Flugbetrieb oder auch in der Werft untersuchte die TP den technischen Gehalt des Ereignisses .Die TP war aber nicht dazu zu bewegen, Vorkommnisse allgemeiner Art (Werkzeugverluste, Beschädigungen, Störungen im Ablauf der FIH u.v.a.m.) zu untersuchen und Schlussfolgerungen abzuleiten. Deshalb wurde eine dem Direktor FT direkt unterstellte „Produktionsinspektion“ gebildet, deren Aufgabe es war, eine personenbezogene Auswertung aller Störungen, Vorkommnisse und wesentlichen Qualitätsmängel vorzunehmen mit dem Ziel, deren Ursachen zu ermitteln und auf notwendige Ergänzungen und Änderungen in der Erziehungs- und Organisationsarbeit, Technologie, Lenkung und Kontrolle, Vorschriftenwesen, in der Zusammenarbeit mit Partnerbereichen hinzuweisen. Nach und nach wurden der Produktionsinspektion weitere Aufgaben, z.B. die Verwaltung der Erlaubnisübersicht für das Personal, zugeordnet.
    Aus heutiger Sicht wäre eine solche Datensammlung über die „Sünder“ und „schwarzen Schafe“ in der Flugtechnik vermutlich nicht mehr zulässig. Aber einen Datenschutzbeauftragten gab es damals nicht. Dafür war die Stasi ein stets interessierter Nutznießer dieser Datenquelle. Wertvoll für die Flugtechnik waren aber die Ursachenforschung für Vorkommnisse, das rechtzeitige Erkennen von Schwerpunkten und die daraufhin eingeleiteten Maßnahmen.
  • Diskutiert wurde die Rolle des Technischen Direktors. Anfang der 70-er Jahre war er noch ein Verantwortlicher für die Gewährleistung der termin- und qualitätsgerechten Bereitstellung lufttüchtigen Luftfahrtgerätes und damit in der Rolle eines Werftleiters. Erforderlich war aber eine darüber hinausgehende Abdeckung der Verantwortung für den technischen Betrieb der Flugzeuge und damit auch Einfluss auf die technischen Belange des Flugbetriebshandbuches und auf die technische Ausbildung der Bordingenieure. Das ist eher die Rolle eines Hauptingenieurs, die dann auch schrittweise in Abstimmung mit dem Flugbetrieb so  konzipiert wurde.
  • Im Januar 1971 erhielt ich den Auftrag, eine Aufgabenstellung für eine neu zu gründende Abteilung Rationalisierung zu formulieren. Diese sollte nicht nur den Plan Wissenschaft und Technik, das Neuererwesen und die EDV konzeptionell führen und entwickeln, sondern auch in Zukunft mit Methoden der wissenschaftlichen Arbeitsorganisation dafür sorgen, dass der Betriebsteil Flugtechnik mit internationalen Entwicklungen Schritt hält und nicht wieder ein Modernisierungsstau auftritt. Diese Aufgabe konnte ich rasch erledigen, beendete damit meine Arbeit in der WW AG und ging wieder meiner Tätigkeit als Fachbereichsingenieur Zelle in der Abt. TL nach.

Doch nach kurzer Zeit wurde ich erneut vergattert, dieses Mal vom Bereichsleiter Flugzeuginstandhaltung Peter Bork, ab 1.12.1971 die neu gegründete Abt. Rationalisierung als Leiter zu übernehmen, wenn auch nur zeitweilig, weil bis dato kein geeigneter und williger Kader gefunden werden konnte.
Mein Enthusiasmus dafür hielt sich zunächst in Grenzen. Aber  die erste anstehende Aufgabe erforderte sofort den vollen Einsatz. Es ging darum, den Augiasstall „Technische Nachweisführung“ auszumisten. Eine staatliche Untersuchungskommission in Gestalt der PfL hatte für beträchtlichen Wirbel gesorgt. Bekanntlich ist ein Mensch ohne Personaldokument kein Mensch, und ein Flugzeuggerät ohne Attest kein einsatzfähiges Gerät. Bei IF wurden alle Atteste der Geräte in der „Technischen Nachweisführung“ aufbewahrt. Diese Gruppe war  am Anfang der Technischen Prüfung angegliedert, später gehörte sie zur Abt. Lenkung und Kontrolle. Im Laufe der Jahre gab es in sehr vielen Fällen keine Übereinstimmung mehr zwischen den Werknummern der im Flugzeug eingebauten Geräte und den Attesten für diese Geräte (mit Werknummern), die bei der Übergabe an sowjetische Reparaturwerke mitgeliefert wurden. Seitens der sowjetischen Reparaturvereinigung „Aviaremont“  drohte man der IF, ab 1972 keine Flugzeuge mehr zur Grundinstandsetzung anzunehmen, wenn mehr als 30% der Atteste nicht mit den tatsächlich eingebauten Geräten übereinstimmen und ab 1973 forderte man eine volle Übereinstimmung. Es mussten also Ausrüstungslisten und Einbaulisten erstellt, Werknummernüberprüfungen an allen Flugzeugen sowie Inventuren auf den Lagern organisiert und vor allem Verfahrensweisen entwickelt und in Form von Anordnungen veröffentlicht werden, die in Zukunft ausschlossen, dass Verwechslungen von Attesten vorkommen.. Zusammen mit dem ausgezeichneten EDV-Mann Winfried Roepke, mit Gottfried Geißler, Jens Pöthe, Bernd Engelke und sogar Hilfskräften aus dem Flugbetrieb wurde diese Aufgabe in mühevoller Kleinarbeit gelöst und die Grundlage geschaffen, dass in Zukunft die Verfolgung der Gerätelaufzeiten, der Einbauorte der Geräte im Flugzeug u.a. mit Hilfe von EDV-Anlagen und Kleinrechnern möglich war.
Ab 1973 hatten wir alle Probleme im Griff und waren nach Aussage der Reparaturwerke die Musterknaben auf diesem Gebiet.

Am 13.6.1972 beendete ich den Einsatz als Abt.-Leiter RT und übernahm von Claus Meyer, der aus gesundheitlichen Gründen um seine Entbindung von dieser Funktion gebeten hatte, die Leitung der damaligen Abt. Technologie. Claus Meyer übernahm meine vorherige Funktion als Fachbereichsingenieur Zelle bei TL.

Was mich heute wundert ist, dass diesen Vorschlägen zur Strukturveränderung und den damit verbundenen Planstellenerhöhungen seitens der ökonomischen Hochleitungskader im Nordteil des Flughafens zugestimmt wurde. Zumindest sind mir die dazu geführten Auseinandersetzungen  nicht mehr in Erinnerung geblieben. Es ist ein großes Verdienst von Peter Bork, das durchgesetzt zu haben.

Nun noch einmal zurück zu o.g. Auszeichnung.
Im Frühjahr 1971 wurde Peter Bork vom Generaldirektor der IF als Bereichsleiter Flugzeuginstandhaltung eingesetzt. Die Funktion wurde im März 1972 in Direktor Flugtechnik umbenannt.
Am 1.Juli 1975 wurde Dr. Klaus Henkes zum Stellvertreter des Ministers für Verkehrswesen und Leiter der Hauptverwaltung der Zivilen Luftfahrt berufen. Er war Ende Juli 1975 das erste Mal zu einem Gespräch mit der Leitung der Flugtechnik bei uns im Südteil des Flughafens. An dem Gespräch nahmen teil: Dr. Peter Bork als Direktor FT, Achim Schlag als Produktionsleiter, Lothar Kunz als Parteisekretär und ich als Leiter IT. Für mich war die zielgerichtete und sachkundige Fragestellung von Dr. Henkes bemerkenswert. Aus seinem militärischen Repertoire war die Frage nach unseren „Reaktionszeiten“ auf Vorkommnisse oder mit Prämienzahlungen bei besonderen Leistungen. Er verschaffte sich einen umfassenden Überblick und wie es schien, war er mit dem, was in den letzten Jahren in der Flugtechnik geleistet wurde, zufrieden. Er fragte, ob die Flugtechnik schon mal eine höhere Auszeichnung erhalten habe, was zu verneinen war. Er meinte dann in seiner saloppen Art: „Wenn der VEB Kunstblume Sebnitz für seine Arbeit eine hohe Auszeichnung erhält, dann habt ihr das erst recht verdient“. Er forderte Bork auf, einen Auszeichnungsvorschlag auszuarbeiten.

Auf der Basis der Anlagen 1 und 2 (siehe Link) reichte Dr. Henkes einen Antrag, der uns heute nicht mehr vorliegt, auf Auszeichnung mit dem Nationalpreis der DDR für Wissenschaft und Technik ein.
Vom Generalkonstrukteur des Ilyushin-Konstruktionsbüros, Genrikh Novozhilov, gab es dazu ein sehr wohlwollendes positives Gutachten für die IF- Flugtechnik und ihre Leistungen beim Betrieb der Ilyushin-Flugzeuge.
Irgendwann 1976 kam eine aus Professoren verschiedener Hochschulen bestehende Prüfungskommission in die Flugtechnik, die sicherlich zu Recht befand, dass der wissenschaftliche Gehalt unserer „sozialistischen Errungenschaften“ zu gering ist für den Nationalpreis. Die Sache hatte ich schon fast vergessen, als wir dann etwa ein halbes Jahr später von der Verleihung des Ordens erfuhren. Wahrscheinlich haben die enormen Einsparungen und die technisch-organisatorischen Verbesserungen, die erzielt wurden, den Entscheidungsfinder überzeugt, hier einen auszugeben.
Viel später habe ich gehört, es wäre möglich gewesen, in das Kollektiv bis zu 12 Personen einzubeziehen. Schade drum, andere, die mitgewirkt haben und den Orden auch verdient gehabt hätten, blieben außen vor. Aber man hatte ja keinen Einblick, wie das Ganze hinter den Kulissen abgewickelt wurde. Mit 1000.-M pro Person bewegte sich der finanzielle Bonus, mit heutigen Maßstäben gemessen, in bescheidenen Grenzen, reichte aber dicke für eine feucht-fröhliche Abteilungsfete, zumal das Bier zu DDR-Zeiten billig war.
Wie auch immer, ohne die Initiative des „Lobbyisten“ Dr. Henkes, der offensichtlich über gute Beziehungen zu den entscheidenden Regierungskreisen verfügte, hätten wir wie immer klaglos, undekoriert und ohne Dank als Negersklaven auf der Plantage des Verkehrsfluges weitergearbeitet.

Auszeichnung
Der Präsident der Volkskammer, Horst Sindermann, verleiht die Auszeichnung.
Aufgereiht in preußischer Ordnung nach Alphabet von links: Joachim Bolte,
Dr. Peter Bork, Harald Franke, Jörn Lehweß-Litzmann, Claus Meyer, Rotraud Thier.

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